Das Projekt
Ziele
Das Projekt RuneS, „Runische Schriftlichkeit in den germanischen Sprachen“, ist an der Göttinger Akademie der Wissenschaften angesiedelt und wird im Rahmen des Forschungsprogramms der deutschen Akademienunion gefördert. Die Forschungsarbeiten werden an drei Arbeitsstellen durchgeführt: in Kiel, Eichstätt-München und Göttingen.
Ziel des Projekts ist es, die in verschiedenen Runenreihen (älteres fuþark, anglo-friesisches fuþorc, jüngeres fuþąrk/fuþork) abgefassten historischen Texte überregional und zeitlich umfassend in ihrem kultur- und sozio-historischen Kontext zu untersuchen (Untersuchungszeitraum: ca. 100-1500 n. Chr.).
Das Forschungsprojekt zeichnet sich auch dadurch aus, dass es die Runenschrift unter dem Blickpunkt eines Systems betrachtet, das sich über Jahrhunderte hinweg in unterschiedlicher Weise entwickelt hat und verschiedene kommunikative Funktionen innerhalb der historischen Gesellschaften übernahm.
Die Arbeit ist in zwei Forschungsabschnitte gegliedert: Das erste Modul, die Runische Graphematik, widmet sich der Frage nach der Umsetzung von Lauten in Schriftzeichen. Dabei wird das System der Laute (Phonemsystem) in seiner Beziehung zu dem System der Schriftzeichen (Graphemsystem) untersucht, die nicht notwendigerweise aus 1:1-Relationen besteht.
Folgende Fragen sind hier von Interesse: Welche Schriftzeichen werden für welche Laute verwendet? War das System der Runenzeichen ‚perfekt‛ an das Lautsystem bzw. die Lautsysteme der germanischen Sprachen angepasst? Gab es über den langen Zeitraum der Verwendung der Schrift Entwicklungen im System der Schriftzeichen und wodurch wurden sie ausgelöst? Eine bisher sehr kontrovers diskutierte Frage ist die nach den orthographischen Traditionen in der runischen Schriftlichkeit – gab es sie, oder schrieb man immer, „was man hörte“?
Im zweiten Forschungsmodul, der Runischen Textgrammatik und Pragmatik, steht die Frage nach der Form und den kommunikativen Funktionen der runischen Texte und nach deren Wandel im Mittelpunkt: Welche Arten von Äußerungen wurden schriftlich in Runen niedergelegt?
Ein Ziel der Untersuchungen wird es sein, eine runische Texttypologie zu entwickeln. Dabei wird das gesamte Runendenkmal – das beschriftete Objekt selbst, der darauf angebrachte Text bzw. die Texte, begleitende Bildelemente und Ornamente, die besondere Anordnung all dieser Zeichen auf dem Zeichenträger und der Überlieferungskontext des Runendenkmals – im Zusammenhang gesehen und bei der Bestimmung der gesellschaftlichen Funktion dieses Schriftzeugnisses zugrunde gelegt. Auf diese Weise soll eine Geschichte der runischen Schriftlichkeit entstehen, die ein klares Bild der Funktion dieser Schrift in den unterschiedlichen Kulturen gibt.
Die Datenbank
Die RuneS-DB stellt das Herzstück des Projekts dar. Hand in Hand mit den Forschungsarbeiten werden die relevanten runologischen und sprachwissenschaftlichen Daten hier digital erfasst, systematisch aufbereitet, klassifiziert und mit Blick auf die verschiedenen Untersuchungsfragen ausgewertet.
RuneS 1.0 stellt die erste Version dieser online-Datenbank dar. Sie umfasst Daten zu Art, Inhalt und Kontext aller europäischer Runenfunde, d.h. Daten zu den Runeninschriften auf Objekten verschiedenster Art und zu den runischen Einträge in Handschriften, den Runica Manuscripta.
Im Einzelnen reicht das Spektrum der in RuneS 1.0 archivierten Informationen von Daten zum historischen Fund- und aktuellen Aufbewahrungsort, über Daten zum Objekt, Material, Erhaltungszustand, zu Fundkontext und Datierung, bis hin zur Transliteration der Inschrift/des Eintrags, einer deutschen und englischen Übersetzung sowie der Zuordnung zu einer Runenreihe und einer allgemeinen Einordnung des Inschriftcharakters.
Unsere Daten entstammen verschiedenen Quellen (zu unseren Quellen), ihre Zusammenstellung und Aufarbeitung anhand eigens entwickelter Beschreibungs- und Klassifikationssysteme (hier insbesondere die Objekttypologie) sind erste Resultate der Projektarbeit (zu unseren Standardisierungsprinzipien und Eingabemodalitäten). Illustriert werden diese Daten anhand flexibler Kartendarstellungen und – wo möglich – durch Photos und Abbildungen der Runenfunde.
Die Präsentation der Daten ist grundsätzlich zweisprachig angelegt, alle relevanten Kontextdaten der Runenfunde sind in einer deutschen und einer englischen Sprachversion verfügbar.
Die Webseite ist so konzipiert, dass sich Einsteiger über die Fundliste schnell zurecht finden und anhand der Präsentation einzelner Runenfunde die Vielfalt der runischen Schriftlichkeit und ihre Verbreitung innerhalb Europas kennenlernen können. Ein gesondertes Suchfeld ermöglicht zudem den spezifischen Zugriff auf bestimmte Einzelfunde, auch über gebräuchliche Namen und Siglen der Runenfunde (zum Siglenverzeichnis).
Die Standardabfragen stellen erste systematische Zusammenstellungen der Funde dar. Sie bieten vorgefertigte Suchanfragen auf der Basis von Hauptmerkmalen der Runenfunde, wie z.B. Typ des beschrifteten Objekts oder Zugehörigkeit zu einer Runenreihe. Die eher praktisch ausgerichtete Abfrage zu den Aufbewahrungsorten kann auch als Grundlage einer Reise zu den Originalfunden und -fundorten genutzt werden.
Flexiblere und individuell kombinierbare Datenfilter finden sich unter Fundkarte und Erweiterte Abfragen. Das Resultat der Suchanfragen wird in tabellarischer Form oder auf einer Ergebniskarte dargestellt, ergänzt durch einen Zeitstrahl, der die zeitliche Distribution der ausgewählten Gruppe von Runenfunden aufzeigt.
RuneS 1.0 und die hier präsentierten Daten werden ständig aktualisiert und überprüft. Auf die Wissenschaftlichkeit und Korrektheit der Daten legen wir den größten Wert. Bitte melden Sie uns Fehler, die Sie finden, über die vorgesehene Option oben rechts auf den Seiten.
Digitale Graphematik
Im Zuge der laufenden Forschungsarbeiten zur Runische Graphematik wird die Webseite in den kommenden Jahren (ab 2018/19) um Daten zu den einzelnen runischen Schriftzeichen (Graphtypvarianten und Graphtypen) und zu deren wechselnden sprachlichen Funktionen erweitert (RuneS 2.0). Auch für diesen Bereich werden verschiedene Suchfunktionen sowie zeitliche und räumliche Verbreitungskarten verfügbar sein. Die flexible Kombinierbarkeit mit den Basisdaten von RuneS 1.0 wird die Beantwortung kontextabhängiger Forschungsfragen zur runischen Graphematik ermöglichen.
In Rahmen der textgrammatischen Beschreibung und pragmatischen Klassifizierung der runischen Texte werden schließlich auch Daten zu Form und Funktion der runischen Schriftlichkeit hinzukommen (RuneS 3.0).